Deutsche Herren spielen in Peking um Gold!
21. August: Niederlande – Deutschland 4:5 nach Siebenmeterschießen (1:1; 1:1; 0:0)
Die deutschen Herren haben in einem an Dramatik kaum zu überbietendem Halbfinale in Peking durch einen Sieg im Siebenmeterschießen das olympische Finale erreicht. Die Revanche für die Halbfinal-Niederlage in Athen gegen die Holländer ist geglückt. Helden im Krimi von Peking waren Torwart Max Weinhold, der im Siebenmeterschießen drei Schüsse, darunter den entscheidenden von Standardspezialist Taeke Taekema, hielt, und Philipp Zeller, dem nur zwei Minuten vor Ende der 1:1-Ausgleich gelang, nachdem Timme Hoyng per Ecke in der 66. Minute die Führung für den Europameister erzielt hatte. Wer Gegner im Finale am Samstag um 20.30 Uhr Ortszeit (14.30 Uhr deutscher Zeit) ist, entscheidet sich am Nachmittag im Spiel zwischen Australien und Spanien.
Markus Weise: „Die Jungs haben das super gemacht. Ich hatte auch nach dem 0:1 und noch dreieinhalb Minuten vor Ende nie das Gefühl, dass sie das verlieren. Die Körpersprache stimmte einfach. Sie haben auf diese ein, zwei Situationen gespielt um noch den Ausgleich zu machen. Das war eine ganz starke Leistung. Wir müssen jetzt nur bei der Ecke mal das machen, was wir besprochen haben, dann schießen wir auch mal wieder eine Ecke rein. Samstag wäre ein guter Tag dafür.“
Kapitän Timo Weß: „Nach dem 0:1 sind mir schon ein paar leise Zweifel gekommen, ob das nun noch reicht. Aber wir hatten dann auch das nötige Quäntchen Glück – und das hatten wir uns hart erarbeitet. Es ist symptomatisch, dass mit Philipp Zeller einer das Tor gemacht hat, der sonst nicht so viel trifft. Denn heute hat wieder jeder für jeden gekämpft. Und dann macht halt auch mal ein Verteidiger das Tor für unseren Sturm. Ich würde im Finale gern gegen Spanien spielen, aber wenn’s Australien wird, ist das auch okay. Gegen die haben wir in den letzten Jahren viele tolle Endspiele gespielt.“
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Philipp Zeller: „Ich weiß gar nicht mehr so genau, wie das bei dem Tor war. Ich hatte nur gemerkt, dass mein Stürmer nicht mit mir mitgegangen war und dass da eine riesige Lücke am langen Pfosten entstand. Weil ich wusste, dass Mo Fürste schon mehrfach geniale Freischläge reingespielt hat, bin ich da reingegangen und konnten Ball dann auch schon fast nicht mehr verfehlen. Unser Vorteil im Finale wird sein, dass wir wissen was es bedeutet, für den Erfolg so zu fighten. Hier schenkt uns keiner etwas. Jetzt müssen wir alle individuell noch mal eine Schippe drauflegen, damit wir uns am Ende so ein goldenes Ding umhängen lassen können.“
Carlos Nevado: „Ich wusste selbst nach dem 0:1 – das macht uns nichts! Es wäre auch total unverdient gewesen, denn wir waren einfach an der Reihe! Wir hatten so hart dafür gearbeitet, hier bei Olympia ins Finale zu kommen. Jetzt fehlt noch ein Schritt, um sich unsterblich zu machen. Und den gehen wir jetzt auch noch!“
Max Weinhold: „Ich gehe mit Selbstbewusstsein in ein Siebenmeterduell und zeige das auch mit Körpersprache, aber als ausgesprochenen Siebenmetertöter würde ich mich nicht bezeichnen. Es gehört auch Glück dazu. Man schaut dem Schützen in die Augen und trifft dann eine Entscheidung. Bei Taekemas zweitem Schuss hatte ich das Gefühl, er will es wohl cool machen und bin einfach stehen geblieben. Im ersten Moment wusste ich gar nicht, dass der Ball über die Latte gegangen ist.“
Christopher Zeller: „Wir hatten keinen Angst vor den Holländern, aber als sie so kurz vor Schluss das 1:0 machten, hatte ich kurz ein paar schlechte Erinnerungen. Dass wir dann noch den Ausgleich schafften und es auch noch mein Bruder war, der sonst fast nie trifft, war wunderbar.“
Dramatik kurz vor der Partie, als klar war, dass Oliver Korn wegen einer fiebrigen Infektion nicht mehr ins Turnier eingreifen würde können, aber die Erlaubnis für dessen Ersetzung durch den P-Akkreditierten Jan Marco Montag lange auf sich warten ließ. Am Ende durfte Montag doch auflaufen und machte bei seiner Olympia-Premiere eine ordentliche Partie.
Die ersten Minuten der Partie liefen zwischen den Viertellinie ab, bevor Matthias Witthaus eine große Chance hatte. Guus Vogels wehrte eine Argentinische Rückhand aus spitzem Winkel noch gerade ans Außennetz ab. Der Schuss hätte sonst gepasst (4.). Auf der anderen Seite passte Weinhold bei einem Linksangriff gegen Matthijs Brouwer gut auf. Witthaus hatte gleich darauf eine zweite sehr gute Möglichkeit, verpasste aber den Abschluss aus etwa sechs Metern (6.). Die Deutschen hatten mehr vom Spiel. In der 8. Minute gab es erneut einen Freischlag am Kreis. Der harte Ball konnte aber nicht berührt werden, bevor er ins holländische Tor ging.
Deutschland war auch hinten hellwach, schafften es immer die Holländer zu doppeln, wenn diese einmal gefährlich auf den Kreis zuliefen. Die anschließende Phase war von einer defensiven Taktik beider Teams geprägt. Ein schneller Freischlag von Fürste (16.) war die nächste gefährliche Szene. Vogel hielt den Stecher, aber das Tor hätte nicht gezählt, weil der Abstand nicht eingehalten worden war. Holland dann mal auch mit Freischlag am Kreis links außen (19.), der aber durchzischte, ohne dass einer heran kam.
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Die Deutschen kontrollierten die Partie, ohne zu viel zu riskieren. Die Niederländer taten allerdings überhaupt nichts für das Spiel, hofften ausschließlich auf einen Konter und die Ecke, um Taekema in Schussposition zu bringen. Pech, als David Gentles bei einem klaren Stockfoul am Kreis die erste Strafecke (28.) für die Deutschen nicht gab. Den Konter fing Biederlack jedoch erstklassig ab. Die beste Chance der Niederländer hatte de Nooijer, als er von rechts aus spitzem Winkel am linken Pfosten vorbei schlug (30.).
Doch die beste Chance hatte Florian Keller, der nach Konter über Weißenborn am Siebenmeterpunkt im Vorwärtsfallen die Kugel nicht kontrolliert auf Vogels Tor bringen konnte (34.) und ganz knapp links verzog. So blieb es bei Vorteilen für das deutsche Team beim 0:0 zur Pause in einem hochklassigen Spiel. Und auch nach der pause gehörte die Anfangsphase den Deutschen. Vogels war bei einem Stecher von Matthias Witthuas auf dem Posten. Zwei Flanken zischten durch den Kreis. Und dann traf Christopher Zeller von rechts nur das Außennetz (37.).
Ein Konter über Witthaus brachte erneut Gefahr. Der Krefelder prüfte Vogels von halblinks. Dann hatte Philipp Zeller von rechts aus fünf Metern freie Schussbahn, traf aber den Keeper mit einem flachen Schuss. Einen ersten Konter fing die deutsche Defensive super ab, hatte im Gegenkonter Pech, dass die Kugel über die Grundlinie lief, bevor Witthaus zu Moritz Fürste, der frei am Kreisrand zum Schuss gekommen wäre, zurückpassen konnte (40.). Keller mit einem tollen Steal hätte dann das 1:0 machen müssen. Er schoss von halbrechts im Lauf Vogels zweimal voll an. Der Keeper war danach lange benommen, denn er hatte den ersten Schuss gegen den Helm bekommen (43.).
Gefahr immer nur bei Fehlern im deutschen Team, die sehr selten waren. Meinert verlor die Kugel in der rechten Ecke, so dass die Niederländer an der Grundlinie bis zum Pfosten kamen, wo Weinhold aber gut aufpasste. Beste Chance danach zweimal für de Nooijer von halblinks, als Max Weinhold aber bravourös hielt und sein Team vor dem Rückstand bewahrte (46.). Die Niederländer konnten sich in dieser Phase erstmals wieder vom deutschen Pressing befreien.
Eine klare Fehlentscheidung von David Gentles bescherte Holland dann doch die so lange vermiedene erste Strafecke, als der Australier einen Fuß im deutschen Kreis pfiff, der klar nur ein Schlägerkontakt war (54.). Zum Glück lief Weißenborn den Ball ab, sonst wären die Deutschen – wie am Mittwoch die Damen in ihrem Halbfinale – durch eine krasse Schiedsrichter-Fehlleistung in Rückstand geraten. Doch es war jetzt ein Match mit leichten Vorteilen für Oranje in dieser Phase. Deutschland kontrollierte die Partie, kam aber nicht so richtig gefährlich ins niederländische Viertel. So wurde es noch einmal gefährlich, als Holland die zweite Ecke bekam (66.).
Und da war es dann passiert. Taekema ließ sich die zweite Chance nicht nehmen. Er bediente Timme Hoyng zum Stecher auf rechts, dessen Abfälscher zum 1:0 im Gehäuse landete. Doch Deutschland hatte dann im Gegenzug auch die erste Ecke. Doch symptomatisch für seine Ecken-Performance in diesem Turnier, dass Christopher Zellers zu unplatzierter Schlenzer von der Eckenabwehr über das Tor gelenkt wurde (67.). Sein Bruder sprang in die Bresche: Ein schneller Freischlag von Moritz Fürste brachte zwei Minuten vor dem Ende das 1:1 (69.), als sich der aufgerückte Verteidiger links in den Ball warf und zum absolut verdienten Ausgleich traf.
Eine tolle Energieleistung und exzellente Moral der Mannschaft, dass sie die Niederländer in die Verlängerung mit Golden Goal zwang. Ganz viel Pech, als nach tollem Dribbling von Witthaus Benjamin Weß nur den linken Innenpfosten traf (75.) und Philip Witte zu überrascht war, um den Nachschuss zu verwerten. Timme Hoyng verletzte sich bei einer Abwehraktion, musste raus. Auf der anderen Seite stoppten die Deutschen Brouwer nach einem tollen Dribbling kurz vor dem Tor. Die bessere Chance hatten die Deutschen für das Golden Goal.
Zweimal brachten die Deutschen dann den Ball in der Anfangsphase der zweiten Hälfte auf das holländische Tor, doch Moritz Fürstes Stecher und auch Florian Kellers Stecher hielt Vogels jeweils sicher. Fürste wartete dann nach tollem Solo im Konter zu lange, verpasste das Anspiel auf rechts freistehende Mitspieler. Das war eine Großchance (82.). Holland drängte noch einmal, kam aber auch nicht zum Torschuss.
So musste das Siebenmeterschießen entscheiden. Und da konnte Max Weinhold, der zuvor schon zwei Siebenmeter pariert hatte und sein Team damit im Turnier hielt, beim sechsten Schützenpaar seine ja durchaus umstrittene Nominierung endgültig rechtfertigen, als er nach Zellers 4:3 den Schlenzer von Taeke Taekema mit dem linken Handschuh über das Tor lenkte und seinem Team den Sieg bescherte.
Tore im Überblick:
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1:0 Timme Hoyng (KE, 66.)
1:1 Philipp Zeller (68.)
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Siebenmeterschießen:
- Taeke Taekema ganz sicher flach zum 1:0 links
- Christopher Zeller oben rechts ebenfalls sicher zum 1:1
- Ronald Brouwer stark halbhoch rechts, Weinhold verladen, zum 2:1
- Florian Kellers Schlenzer halbhoch links hielt Vogels mit dem Handschuh
- Doch Weinhold hielt Rob Reckers Siebenmeter ebenfalls
- So konnte Niklas Meinert sich links halbhoch zum 2:2 ausgleichen
- Und dann zeigte Weinhold eine ganz starke Schlägerparade unten links gegen Roderick Weusthoff
- Doch Philipp Zellers flacher Siebenmeter unten links wurde auch gehalten von Vogels
- Teun de Nooijer machte ganz sicher links oben zum 3:2
- Doch Tibor Weißenborn behielt die Nerven, machte sicher links oben das 3:3
Es musste nun Paarweise weiter gehen:
- Christopher Zeller hatte etwas Glück, doch Vogels konnte den harten Schlenzer nur links hoch zum 3:4 ins Tor abfälschen
- Und dann lenkte Weinhold Taeke Taekemas Schlenzer tatsächlich mit der linken Hand über das Tor und entschied die Partie
Markus Weise zum Siebenmeterschießen: „Wir haben das im Training geübt. Aber es sind meilenweite Unterschiede zwischen der Schusssituation im Training und in einem olympischen Halbfinale. Da brauchst du Selbstvertrauen, und da hatten wir offenbar ein klein bisschen mehr davon als die Holländer, obwohl mir zwei unserer Versuche ein wenig zu cool waren. Ich denke, es war kein Glück, dass wir das Siebenmeterschießen gewonnen haben. Drei von sechs holländischen Siebenmetern gehalten zu haben, ist eine tolle Quote.“
Roelant Oltmans (holländischer Trainer): „Dass wir so kurz nach unserer späten Führung auf diesen unachtsame Weise den Ausgleich zugelassen haben, das war für mich der Genickbruch, nicht das Siebenmeterschießen.“
Guus Vogels: „Normalerweise reicht es, wenn ich in einem Siebenmeterschießen zwei Bälle halte. Heute war das nicht so. Das ist traurig.“
Strafecken:
NED 2 (1 Tor) / GER 1 (kein Tor)
Schiedsrichter:
David Gentles (AUS) / John Wright (RSA)
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