Deutsche Damen „nur“ um WM-Platz drei
Damen-WM in Rosario, Halbfinale: Argentinien – Deutschland 2:1 (1:0)
10.09.2010 - Die deutschen Damen haben in der Nacht zu Freitag in Rosario den ersten Einzug in ein WM-Finale seit 1986 knapp verpasst. Gegen den Gastgeber Argentinien verlor das DHB-Team vor 12.000 Zuschauern mit 1:2 (0:1). Superstar Luciana Aymar hatte die Weltranglisten-Zweiten in der ersten Hälfte verdient in Führung gebracht. Obwohl die Deutschen die Partie in Halbzeit zwei deutlich offener gestalteten, ja sogar phasenweise bestimmten, fiel das 0:2 durch Rosario Luchetti sieben Minuten vor Ende. Das 1:2 durch Maike Stöckel kam zu spät. So bleibt dem DHB-Team nur das Spiel um Bronze am Samstagabend 21.30 Uhr deutscher Zeit gegen England, das sein Semifinale im Siebenmeterschießen 3:4 gegen Holland verlor.
Michael Behrmann: „Man muss zugestehen, dass die Argentinierinnen heute dieses eine Tor stärker waren als wir. Uns hat natürlich schwer erwischt, dass wir schon nach einer Minute Julia Müller verloren haben, die das Spiel von hinten taktisch aufbauen sollte und die letzten Partien ja auch hinten stark verteidigt hat. Dadurch mussten die anderen in der Abwehr nahezu durchspielen, so dass am Ende auch ein bisschen die Kraft fehlte, was man beim 0:2 gemerkt hat, wo wir nicht mehr hinterher gekommen sind. Der Anschlusstreffer fiel dann einfach zu spät.“
Das Stadion in Rosario kochte schon lange vor Anpfiff dieser von allen mit Spannung erwarteten Halbfinalpartie. Wie bei einem Pop-Konzert sangen 12.000 Fans auf der riesigen Stahlrohrtribüne sich warm, tanzten und feierten sich selbst. Bundestrainer Michael Behrmann verzichtete auf Youngster Lena Andersch und Ersatzkeeperin Barbara Vogel, die das Match von der Tribüne aus verfolgten. Es war beeindruckend, als die Fans lautstark die argentinische Hymne mitsangen. Aber auch die Deutschen sprühten beim Einzug ins Stadion vor Vorfreude und Entschlossenheit.
Nach 60 Sekunden gab es die erste harsche Szene, als Superstar Luciana Aymar Julia Müller nach einem Abwehrstecher mit dem Schläger unabsichtlich am Ellenbogen traf. Müller musste draußen behandelt werden, kam aber nicht mehr zurück. Sie wurde nach der Partie ins Krankenhaus gebracht, weil die Medizinische Abteilung auf der Bank auch einen Bruch nicht ausschließen konnte. Der Ausfall der starken Innenverteidigerin brachte die Deutschen sichtbar aus dem Konzept.
Die Argentinierinnen machten sofort Druck und holten sich in der 3. Minute ihre erste – allerdings etwas umstrittene – Ecke. Doch Luchettis Schlenzer wurde von Kristina Reynolds an den oberen rechten Außenpfosten gelenkt. Der Druck blieb vor allem über außen hoch, und mit solch einem schnellen Linksangriff erarbeiteten sich die Leonas ihre zweite Ecke (6.). Wieder hielt Reynolds, und mit Hilfe von Hasselmann konnte nach außen geklärt werden. Deutschland kam in der 7. Minute erstmals stark nach vorn, doch Eileen Hoffmann wurde an der Grundlinie gestoppt.
Die Deutschen befreiten sich nun langsam besser vom Anfangspressing der Hausherren. In der 10. Minute musste Janne Müller-Wieland jedoch auf die Strafbank, als sie Aymar kurz vor dem Kreis mit einem Foul stoppte. In Unterzahl starteten die Deutschen gute Angriffsbemühungen über rechts, ließen die „Löwinnen“ lange gar nicht in die eigene Hälfte kommen und überstanden die Phase schadlos. Dann hatte Müller-Wieland zwei Großchancen nach tollem Zuspiel von links, aber Keeperin Belen Succi hielt mit zwei Glanzparaden aus kurzer Distanz exzellent, verhinderte den Rückstand.
Im Gegenzug verursachte Hannah Krüger die dritte Ecke für Argentinien. Dieses Mal verfehlte ein Schuss von Rossi das Tor knapp. Am meisten Probleme hatten die Deutschen, wenn Aymar oder Marine Russo aus dem Mittelfeld zu ihren unwiderstehlichen Sololäufen ansetzten. Dann brauchte es oft drei, vier Abwehrspielerinnen, um die Angriffe zu stoppen. Dennoch war die große Überlegenheit der Leonas aus der Anfangsphase vorbei – die Deutschen starteten nun selbst ab und zu gute Angriffe.
In der 20. Minute konnten die Deutschen mit einer Videoschiedsrichter-Anrufung die von der Australierin verhängte vierte Strafecke verhindern. Sie bekamen Recht – kein Fuß van Bachmann im Kreis. Es ging nun hin und her – sicherlich immer noch mit mehr Spielanteilen für Argentinien, aber die Deutschen standen hinten gut und konterten nun ab und zu viel versprechend. Aymars Klasse brachte schließlich doch die argentinische Führung. Gleich drei Deutsche griffen im Kreis nicht beherzt genug an, so dass der Superstar in seinem 299. und vorletzten Länderspiel bis fast zum Siebenmeterpunkt vorgehen konnte und mit einem harten flachen Schuss ins untere linke Eck Reynolds nicht den Hauch einer Chance ließ (25.).
Dann musste Alejandra Gulla nach hartem Foul an Bachmann für zwei Minuten vom Feld (27.). Dieses Mal waren es die Argentinierinnen, die trotz Unterzahl angriffen. In der 29. Minute gab Ashton-Lucy zum Unwillen der Deutschen erneut Strafecke für Argentinien. Erneut verfehlte der Schlag nur um Zentimeter den linken Pfosten. Die Deutschen versuchten es auch selbst weiter, kamen aber nicht mehr Erfolg versprechend in den Kreis der Löwinnen. Pech für die Deutschen, dass Frances Block in der 32. Minute ein Schlägerfoul an Keller im Kreis nicht als Ecke gab.
Kurz darauf nahm Müller-Wieland die Videoschiedsrichterin in Anspruch, weil sie ein Vergehen der Argentinierinnen im deren Kreis gesehen hatte, bevor die englische Unparteiische einen deutschen Fuß ahndete. Die Holländerin am TV-Screen sah das Foul aber nicht, so dass die Deutschen das Recht der Anrufung verloren – unglücklich und sehr umstritten. So blieb es zur Pause beim 0:1-Rückstand aus Sicht der Deutschen, der insgesamt sicherlich in Ordnung ging, denn die Argentinierinnen hatten mehr Kreisszenen und Torchancen zu verzeichnen.
Die Deutschen begannen stark in der zweiten Hälfte, hatten die ersten guten Szenen für sich. Doch im Konter wurde Carla Rebecci nur mit Mühe von Reynolds und der Abwehr gestoppt. Doch die Deutschen machten weiter über Rechts Druck, hatten mehr vom Spiel. Die Schiedsrichter-Entscheidungen blieben umstritten aus deutscher Sicht. Im Konter erhielt Rebecci von Block eine Ecke zugesprochen, die schwer nachzuvollziehen war. Doch Reynolds hielt erneut. Das Pressing der Deutschen blieb erfolgreich. Keller spielte im Fallen eine Flanke lang in den Kreis, den eine Argentinierin aber noch abfing.
Die DHB-Auswahl investierte läuferisch und kämpferisch viel, hatte aber Probleme in den Kreis zu kommen. Hinten glänzte Mandy Haase nun einige Male durch starke Aktionen in der Defensive, wenn die Gastgeber, die sich ausschließlich aufs Kontern verlegten, gefährlich auftauchten. Die Deutschen bestimmten die Partie in dieser Phase, nur Aymar sorgte ab und zu für gefährliche Gegenstöße durch die Mitte – aber längst nicht mehr so effektiv wie in Halbzeit eins.
In der 50. Minute schickte Ashton-Lucy Maike Stöckel für Nicht-Einhalten des Abstands beim Selfpass zwei Minuten auf die Strafbank. Doch die Deutschen standen clever und ließen in Unterzahl nichts zu. Ashton-Lucy blieb in der Kritik der Deutschen, weil sie auch in der 53. Minute eine Ecke für die Deutschen nicht gab, als Hoffmann einer Verteidigerin im Kreis an den Fuß gespielt hatte. Da die Video-Refferal-Möglichkeit verbraucht war, konnten die Deutschen die Entscheidung nicht erzwingen.
Die Behrmann-Schützlinge gaben nie auf, berannten das argentinische Viertel weiter, allein das Eindringen in den Kreis blieb eine Hürde, denn die Argentinierinnen standen hinten – wie schon im gesamten Turnier – extrem stark. Wilde hatte eine Großchance, als ein Pass steil in Kreis kam und sie dem Ball hinterher ging, doch Succi stürzte aus dem Tor und kickte die Kugel eine Handbreit vor Wilde aus der Gefahrenzone.
Dann fiel mitten in die deutsche Druckphase die Vorentscheidung durch Rosario Luchetti, als Reynolds bei einem Konter noch den ersten Schuss hielt, aber Luchetti am schnellsten reagierte und vor Hasselmann am Ball war, um den Abpraller ins Tor zu verwerten. Auch danach kamen die Deutschen nochmal. Nach Rechtsangriff zischte eine Flanke vier Meter vor dem Tor durch den Kreis. Natürlich blieben auch jetzt die Konter der Hausherren gefährlich, da noch mehr Raum war. In der 67. Minute verfehlte ein Stecher von Hoffmann das argentinische Tor nur um Zentimeter am rechten Pfosten.
Die Leonas spielten dann die Zeit vorn im Eck clever herunter. Es schien einfach nicht mehr genug Zeit zu bleiben, um das Match noch zu drehen. Doch nach Vorarbeit von Keller gelang Maike Stöckel 90 Sekunden vor Ende das 1:2. Sie drückte die Kugel aus kurzer Distanz durch Succi hindurch über die Linie und ließ ein Fünkchen Hoffnung keimen. Die Deutschen drückten nun weiter, aber es reichte nicht mehr. Der Anschlusstreffer war zu spät gekommen.
Statistik:
1:0 Luciana Aymar (25.)
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2:0 Rosario Luchetti (63.)
2:1 Maike Stöckel (69.)
Ecken:
ARG 4 (kein Tor) / GER keine
Grüne Karten:
ARG 1 (Alejandra Gulla, 27.) / GER 2 (Janne Müller-Wieland, 10., Maike Stöckel, 50.)
Schiedsrichter:
Frances Block (ENG) / Julie Ashton-Lucy (AUS)
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