„Der Countdown Richtung Rio 2016 läuft!“
Interview mit Bundestrainer Mülders vor der Champions Trophy in Mendoza (29.11.-7.11.)
24.11.2014 - Am Ende der Woche startet die Champions Trophy der Damen im argentinischen Mendoza (29. November bis 7. Dezember). Für die deutschen Damen ist es die erste Bewährungsprobe nach der Weltmeisterschaft in Den Haag und gleichzeitig die wichtigste Vorbereitung auf die Olympia-Qualifikation, die beim World-League-Halbfinalturnier vom 10. bis 21. Juni 2015 in Valencia (Spanien) ansteht. Im Interview spricht Bundestrainer Jamilon Mülders über die Entwicklung der Mannschaft, die Ziele für das bevorstehende Turnier und den Weg, der noch gemeinsam zu gehen ist.
Was ist in der Analyse der WM von Den Haag als wichtigste Punkte herausgekommen, die Sie mit dem Team in Angriff nehmen mussten?
Mülders: „Ein ganz entscheidendes Thema nach der WM war die Wettkampfstabilität; die großen Ups and Downs – die Range ist bei uns in Deutschland deutlich höher als in Holland oder Argentinien. Wir arbeiten daran, dass wir konstanter Top-Leistungen abliefern wie bei der Europameisterschaft 2013. Die Champions Trophy wird dabei die Chance bieten, uns unter Wettbewerbsbedingungen zu testen.“
Haben Sie die Verantwortung auf mehr Schultern verteilt?
Mülders: „Dieses Team ist auf neun Positionen neu besetzt. Entsprechend ändern sich auch Hierarchien. In der aktuellen Konstellation hat sich die Verantwortung tatsächlich auf mehr Schultern verteilt. Auch dieser Prozess wird sich bei der Champions Trophy dynamisch weiterentwickeln!“
Sie haben nach der Vorbereitung gesagt, das Defensivsystem macht noch am meisten Kopfschmerzen...
Mülders: „Ja, das individuelle Abwehrverhalten ist noch nicht so gut, wie wir das gern hätten. Da fehlt noch was zur Weltspitze. Das liegt auch daran, dass es für Abwehrspielerinnen in der Bundesliga an Anforderungen fehlt. Da sind sie erfolgreich. Wenn dann aber international eine Stürmerin mit viel mehr Speed und Härte auf sie zukommt, passieren noch schneller Fehler, die zudem auch noch konsequenter bestraft werden. Wir sind dadurch konteranfällig. Die Spielerinnen bauen sich in diesem Punkt erst langsam Selbstvertrauen auf. Das Problem ist erkannt und die Bereitschaft, daran zu arbeiten, ist da – aber das ist nicht von heute auf morgen zu lösen. Hierfür sind die Vorbereitungsspiele, die wir jetzt in den letzten Wochen machen konnten, Gold wert. Dafür bin ich den Vereinen und Vereinstrainern extrem dankbar, dass sie uns das so ermöglicht haben, die Spielerinnen parallel zum Ligabetrieb in Beschlag zu nehmen.“
Kann man während eines solchen Turniers denn daran etwas machen?
Mülders: „Ja, daran kann man auch in einem Turnier arbeiten. Und das werden wir in Mendoza auch als eines der wichtigsten Ziele tun, denn das ist ein Schlüssel auf dem Weg Richtung Olympia-Qualifikation in Valencia. Das Feedback, das die Spielerinnen im Laufe des Turniers bekommen, ist deutlicher als es in der Bundesliga sein könnte. Nur mit herausragendem Stellungsspiel und individuellem Abwehrverhalten werden wir Zweikämpfe gewinnen. Hier ist Entwicklung dann auch deutlich messbar.“
Ein Kritikpunkt in Den Haag war auch athletische Nachteile im Vergleich zu anderen Teams...
Mülders: „Mit der Entwicklung in Sachen Physis bin ich sehr zufrieden. Wir Trainer merken, dass die Spielerinnen die Entscheidung für sich getroffen haben, noch härter zu trainieren – was auch bedeutet, im Athletik- und Stocktraining häufiger Grenzerfahrungen zu machen. Wir haben aufgrund des guten Auswahlprozesses jetzt in der Vorbereitung schon eine schnellere Mannschaft. Das macht viel aus. Wir hatten ein Speed-Defizit gegenüber den Spitzenteams bei der WM, jetzt haben wir ein deutlich höheres Spieltempo. Und wenn ich selbst schneller bin, hilft mir das zum Beispiel auch bei den Automatismen im individuellen Abwehrverhalten. Ich brauche dabei nicht so viel Energie zu verschwenden.“
Was haben Sie sich mit dem Team für Mendoza vorgenommen?
Mülders: „Da wir automatisch fürs Viertelfinale gesetzt sind, kann es nur ein Ergebnisziel geben. Das erste Entscheidungsspiel wollen wir gewinnen. Also wollen wir unter die Top-Vier! Neben dem Ergebnisziel stehen aber auch die Lern- und Entwicklungsziele, die wir seit der WM in den Bereichen Spielstil und Auftreten ausgemacht haben, im Fokus. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit hängt auch ganz eng mit den Ergebnissen zusammen, die man damit erzielt. Egal, wie die Gruppenphase ausgeht, entscheidend ist das Viertelfinale – und das wollen wir unbedingt gewinnen. Damit steigt auch die Chance, bei der Champions Trophy 2016 dabei zu sein, denn es geht in Mendoza auch um Weltranglistenpunkte, die uns letztlich dabei helfen, uns für künftige Championate besser zu positionieren.“
Die Mannschaft wurde stark verjüngt...
Mülders: „Acht Spielerinnen aus den Jahrgängen 1990 und jünger ist wirklich eine gute Quote. Aber es ging uns nicht in erster Linie um Verjüngung, sondern darum, die zurzeit bestmögliche Mannschaft zu nominieren – und das ist dieser Kader! Ich bin daher auch sehr gespannt, wie die verhalten, die sich zurzeit im gesamten Kader bis zur U21 befinden, um auf den Zug noch aufzuspringen. Wie sie über den Winter trainieren und sich weiter entwickeln, um zur Olympia-Qualifikation oder EM eine Chance zu haben. Diese Zielstrebigkeit zu zeigen, ist auch ein Teil der Persönlichkeitsentwicklung, den wir brauchen.“
Das Thema, dass die Nationalspielerinnen immer mehr Termine haben, steht immer noch im Raum, oder?
Mülders: „Das ist richtig! Und die Löcher, also die spielfreien Zeiten, werden für Nicht-Nationalspielerinnen immer etwas größer, während sie für die Nationalspielerinnen immer kleiner werden. Da geht die Schere immer mehr auseinander. Deshalb wünsche ich mir ja auch, dass der DHB ein eigenes Profil fürs Damenhockey entwickelt, mit einem anderen Spielplan, anderen Modus und anderen Inhalten – bis hinein ins Marketing. Dass wir dem Damenhockey mehr Aufmerksamkeit verschaffen und ein Gesicht geben. Der jetzige Modus ist aus meiner Sicht nicht gut – zu viele Spiele, zu wenig Entscheidungsspiele, zu wenig Pausen für die Nationalspielerinnen."
Was für eine Qualität erwarten Sie bei der Champions Trophy, die ja keine Qualifikation darstellt?
Mülders: „Ich finde es spannend, wie die anderen Nationen nominiert haben. England, Holland und Argentinien kommen mit den stärksten Kadern, die sie haben. Australien hat sieben Neue dabei. Auf jeden Fall nehmen alle das Turnier sehr ernst, auch weil es das letzte Championat vor der Olympia-Quali ist. Man merkt, dass der Countdown Richtung Rio läuft!“
Und nach Mendoza richtet sich der Fokus sofort gen Valencia?
Mülders: „Auch! Aber nach der Champions Trophy werden wir uns erst einmal intensiv mit der Hallen-WM in Leipzig beschäftigen. Wir werden das Thema mit den Spielerinnen besprechen. Wir müssen schauen, wie wir das Team dafür entwickeln, um bestmöglich aufzulaufen. Immerhin haben wir fünf Lehrgangstage dafür schon mal fest eingeplant, am 3./4. Januar in Hamburg, mit Tschechien und dem UHC als Gegner, sowie am 13. Januar in Düsseldorf mit den Niederlanden. Das ist schon mal mehr, als vor der EM 2012!“
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