Die Ruhe vor dem Sturm
Ich melde mich live am Halbfinaltag von der Sonnenterrasse. Wenn Sie meinen letzten Bericht gelesen haben, denken Sie bestimmt, dass mein frischer Teint mittlerweile schon eine kastanienfarbene Bräune angenommen hat und sich eventuell schon ein erster Bikini-Abdruck abzeichnen lassen müsste. Weit gefehlt. Zusammen mit einigen anderen Danas liege ich im Schatten und genieße die Ruhe vor dem Sturm.
Heut ist es soweit, und, ja, ich gebe zu, ich schreibe diesen Bericht nicht nur, damit Sie in der Heimat was zu lesen habe. Wenn ich von „Ruhe genießen“ schreibe, bedeutet das im Klartext so viel wie: Ich weiß nichts anderes mit mir anzufangen. Ich schreibe diesen Artikel, um mir die Zeit zu vertreiben, um erste aufkommende Nervosität ein wenig einzudämmen und einfach des Schreibens willen. Tut mir leid - das müssen Sie nun machtlos über sich ergehen lassen.
Was gibt es zu berichten? Nun ja - erstmal kann ich vermelden, dass alle Danas soweit fit und einsatzfähig sind. Tina und Taschi sind zwar erkältet - hier liegt natürlich die Vermutung nahe, dass dies am fortgeschrittenen Alter liegen könnte;) - aber wir gehen davon aus, dass beide bei dem Anblick von 12.000 Zuschauern die volle Nase vergessen werden. Anders sieht die Lage allerdings im Staff aus. Hier hat es besonders die Herren der Schöpfung ordentlich erwischt.
„Wenn Männer einen Schnupfen habe...“, werden alle Frauen jetzt denken. Aber da muss ich unsere Jungs in Schutz nehmen. Alex und den Doc, Calle sowie unsere Co-Trainer hat`s wirklich kräftig erwischt, so dass sie zeitweilig fiebrig das Bett hüten mussten. Heut morgen geht es aber allen schon wieder besser, dafür erschien Dorle jedoch mit Sonnenbrille beim Frühstück: Bindehautentzündung. Und auch Gunhi machen die ersten Anzeichen einer Erkältung zu schaffen.
Es macht fast den Anschein, als würde unser Staff all die Keime und Bakterien magisch anziehen und sich wie einen Schutzwall vor die Spieler stellen. Nur die diebische Taschi ist ihnen entwischt. Auch ansonsten leistet der Staff hier eine ausgezeichnete Arbeit, bildet mit den Danas eine imposante Einheit. Auf eine Spielerin kommen hier in Rosario 0,611 Betreuer.
Damit reichen wir zwar nicht an unsere Fußballer heran (hier hat ja gefühlt bereits jeder Fußballer schonmal seinen eigenen Physio dabei), aber dennoch reicht die Anzahl der Staffmitglieder dafür, einen Tisch beim Essen zu füllen oder aber auch um eine Mannschaft beim Hockey aufzustellen. (Lassen Sie hier ihrer Phantasie freien Lauf: Dorle auf links hinten? Der spritzige Calle als rechte Flügelzange und Safi als freier Mann vor der Verteidigung? David in der Manndeckung und Rainer als Vollstrecker?)
Apropos Hockey...da war ja was. Halbfinale gegen Argentinien. Las Leonas gegen Die Danas. Ich hatte ja schon über die argentinische Begeisterungsfähigkeit für Damenhockey geschwärmt. Naja - da musste ich selbst ein bisschen schmunzeln, als wir gegen Japan vor gefühlten drei Zuschauern (schön, dass sie hier sind, Ehepaar Vogel und Papa Müller-Wieland!!) gespielt haben. Heute wird das anders sein, das Stadion wird rappelvoll sein. Es erwartet uns eine Atmosphäre, wie sie selbst Taschi in ihren 502.984 Länderspielen noch nicht so oft erlebt hat.
Wir sind sehr gut vorbereitet, jede weiß, was sie zu tun hat. Die Danas werden die Löwinnen zähmen. Es wird ein großartiges Match werden. Ja - das sind sie, diese Spiele, für die es sich lohnt, im Fitness-Studio komisch von der Seite angeguckt zu werden, wenn man als Frau die großen Scheiben für die Kniebeugen auflegt und nicht wie die anderen Ladys den Bauch, Beine, Po-Kurs besucht. Ja - manchmal fragt man sich wirklich, ob noch alle Drähte im Hirn richtig geschaltet sind, wenn in Berlin und anderswo in der Republik Freitag morgens der Wecker vor der Arbeit oder der Uni klingelt und der Sprinttrainer auf einen wartet und einen verzweifelt immer wieder daran erinnert, seine Knie höher zu heben.
Haben Sie schonmal Stabis gemacht? Seitstütz? Und dann die Beine heben? Und die Hüfte auf und ab? Furchtbar sag ich Ihnen. Macht keinen Spaß. Es ist nun 19:30 deutscher Zeit. Mir wäre lieber, es wäre 19:30 argentinischer Zeit. Dann würden wir nun gerade mit unseren Goldkehlchen inbrünstig die Nationalhymne trällern. Und dann geht`s rauf auf den Platz: Für eines dieser Spiele, die einen blind machen für Seitstütz, Kniebeugen und Kniehub.
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