Alle paar Wochen ist das Ohrläppchen dran
Christoph Menke und Benjamin Weß über die Laktatwertmessungen und ihre Deutung
Wie lange ein Spieler schon dem Nationalkader angehört, kann man aus schlauen Statistiken erfahren, oder eben nachforschen, wie oft sein Ohrläppchen schon angepiekst worden ist. Die Blutabnahme am Ohr gehört auch für die Akteure der Herren-Nationalmannschaft längst zum Alltag ihres leistungssportlichen Treibens.
„Das sind schon alte Bekannte“, erzählt Christoph Menke über das Testpersonal, das regelmäßig mit den feinen Nadeln aufkreuzt und den Spielern ins Ohrläppchen sticht. Das abgezapfte Blut wird dann analysiert und liefert dem Leistungsdiagnostiker Dr. Stefan Mücke ein genaues Bild über die aktuelle Ausdauerfähigkeit jedes einzelnen Athleten. Die unter Belastung erzeugte Milchsäure (das Laktat) im Blut gibt den Sportwissenschaftlern in der Regel die genauesten Anhaltspunkte.
Auch wenn vielen Sportlern verständlicherweise der detaillierte wissenschaftliche Hintergrund fehlt, was die Aussagekraft der ermittelten Werte angeht, so sind den Akteuren die Zahlen und deren Deutung durchaus ein Begriff. „Der Wert von 4;0 ist immer noch so etwas wie eine magische Grenze, die man in einer laufintensiven Sportart wie Hockey erreichen sollte. Alles was darüber liegt, ist in Ordnung“, sagt Menke.
Das letzte Mal sind die deutschen Spieler unmittelbar vor ihrem Abflug nach Potchefstroom in Frankfurt gepiekst worden. „Davor hatten wir einen körperlich harten Lehrgang in Köln. Deshalb sind die Werte im Durchschnitt etwas runtergegangen“, war der Mönchengladbacher nicht überrascht. Denn auch Wissenschaftler Mücke, der seit Jahrzehnten für alle Kader des Deutschen Hockey-Bundes die Diagnostik betreibt, habe bestätigt, dass das Team sich im Plan und auf gutem Weg befinde. Im Schnitt alle zwei Monate wiederholt sich die Prozedur, die das Team „eher als lästige Pflicht“ ansieht, wie Benjamin Weß berichtet. „Einen hohen Spaßeffekt hat das nicht, aber für die Ausrichtung der Trainingssteuerung ist es eben wichtig, und deshalb lässt man das einfach über sich ergehen“, so Weß.
Um die Laktatwerte wird bei den deutschen Herren kein großes Geheimnis gemacht. „Da wird sehr offen drüber gesprochen, auch der Trainer spricht das Thema offen an“, sagt Benjamin Weß. Sein Bruder Timo nimmt zusammen mit Sebastian Biederlack meistens die ersten beiden Plätze im Mannschaftsranking des Laktatwertes ein. „Klar versucht jeder, seinen Wert zu verbessern und auch innerhalb der Gruppe mit seinem Ergebnis eher vorne zu liegen“, beschreiben Weß junior und Menke den teaminternen Wettstreit, doch allzu scharf sieht das keiner, zumal man auch keinen einheitlichen Maßstab anlegen darf. Von einem Kilometerfresser im Mittelfeld erwartet man eher einem hohen Laktatwert als von einem Angreifer, der eher von seiner Sprintausdauerfähigkeit lebt. Dazu kommen individuelle Veranlagungen. „Manche können gar nicht über 4,2 kommen, andere schaffen das, obwohl sie vielleicht gar nicht so extrem viel dafür gearbeitet haben“, sieht Benni Weß die Unterschiede.
Die beiden Mittelfeldstrategen, die nicht zuletzt aufgrund ihrer positionstechnischen Anforderungen bei den Laktatergebnissen „weit vorne mit dabei“ sind, wie sie selbst sagen, wollen bei der Frage, wer aus dem Kader denn gewöhnlich so das Schlusslicht bilde, durch öffentliche Aussagen „keinen reinreiten“. Doch für internen Flachs dient die Laktatliste allemal. 23 Spieler sind derzeit in Potchefstroom dabei. Einer aus dem Kreis muss sich schon mal den spöttischen Titel „Nr. 23“ der frozzelnden Teamkameraden anhören. Bleibt der Trost, dieses Prädikat schon bald an jemanden anderes abgeben zu können. Die nächste Nadel kommt bestimmt...
|