Mit bayerischem Akzent und brasilianischem Hüftschwung
Dr. Winfried Koller ist seit 25 Jahren als Mannschaftsarzt für DHB-Nationalteams dabei
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Dr. Winfried Koller auf dem Trainingsplatz in Mendoza.
Foto: Fanny Rinne
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Kein anderer aus dem „Staff“ einer deutschen Hockey-Nationalmannschaft ist so lange im Geschäft wie Dr. Winfried Koller. Der Münchner Orthopäde begleitet DHB-Nationalteams seit genau 25 Jahren als Arzt. Erstmals 1983 war „Winni“ mit den deutschen Damen unterwegs (Weltmeisterschaft in Malaysia). Nach Pause zwischen 1992 und 95 sowie einem Schwenk zu den männlichen Junioren (1996 bis 2001) ist Koller seit 1999 wieder Mannschaftsarzt für den weiblichen A-Kader. Dort hat er Höhen (Olympiasieg Athen) genauso miterlebt wie das Tal der Tränen (WM-Achter 1990, 2007).
Die derzeitige Mannschaft erlebt ihn als „ein bisschen einen Lebensgenießer, einen Lebemann“, wie Fanny Rinne die relaxte Art des Bayern beschreibt. Fachlich finden sie den 54-Jährigen alle klasse (Rinne: „Man fühlt sich sehr gut bei ihm aufgehoben. An seinem medizinischen Rat zweifelt keiner“), als äußerst praktisch veranlagtes und sehr unkompliziertes Mitglied der Delegation wird der Doc geschätzt. Und wenn es was zu jubeln gibt, dann steht Koller sogar ganz schnell mal im Mittelpunkt der Damenwelt. „Mit Winni feiern zu gehen, macht irren Spaß. Er tanzt gern, und sein brasilianischer Hüftschwung sucht seines gleichen“, hat Fanny schon manch Party mit ihm genossen. Genauso erstaunlich findet die Mittelfeldspielerin Kollers Fähigkeit, „überall einschlafen zu können, auch wenn wir Mädels drum herum noch laut sind“.
Die Redaktion von hockey.de führte mit Dr. Winfried Koller ein Telefon-Interview.
Herr Dr. Koller, Fanny Rinne erzählt von Ihren „drei Leben“. Was meint sie damit?
Koller: „Damit beschreibt sie meine drei wesentlichen Aufenthaltsorte. Das ist zum einen meine Heimatstadt München, dann Rio de Janeiro, wo meine brasilianische Lebensgefährtin (Juristin an der Universität) und unsere zehn Jahre alte Tochter leben, sowie das Kreuzfahrtschiff, wo ich gewöhnlich zwei Mal im Jahr jeweils mehrere Wochen als Schiffsarzt arbeite. In Rio bin ich übers Jahr gesehen zwischen vier und sechs Monate, seitdem ich 1998 meine Praxis in München verkauft habe. Auch im Anschluss an das Turnier in Mendoza hänge ich nach ein paar Wochen in Rio dran. Im Sommer halte ich mich oft in Deutschland auf, um Praxisvertretungen zu machen. Oder ich bin wie jetzt mit Hockey unterwegs.“
Der Hockeysport quasi als das vierte Leben?
Koller: „Könnte man so sagen. 1983 habe ich damit begonnen, war bis 1992 bei der Damen-Nationalmannschaft dabei. Dann war eigentlich Schluss. Drei Jahre später haben mich Paul Lissek und Bernhard Peters angerufen, ob ich nicht wieder beim DHB einsteigen könnte. So habe ich von 1996 an die Junioren (bis 2001) betreut, von 1999 an auch wieder die Damen.“
Ist denn für einen Mannschaftsarzt ein Trainingslager plus Freundschaftsturnier wie jetzt in Menzoza etwas anderes als eine Meisterschaftsmaßnahme wie beispielsweise eine WM oder EM?
Koller: „Vom Tagesablauf unterscheidet sich das kaum. Bei Meisterschaftsturnieren ist jedoch mehr Anspannung da, die Mädels sind da nervöser. Ärzte und Physios haben bei Turnieren, wo der Ergebnisdruck hoch ist, neben ihrer eigentlichen Tätigkeit schon auch mal mehr die Seele der Spielerinnen zu streicheln. Ansonsten ist ein Arbeitslehrgang oder Trainingslager für Arzt und Physio fast noch etwas anstrengender als eine EM oder WM, da die Belastung am Anfang noch größer ist und in aller Regel mehr pflegerische Maßnahmen notwendig sind.“
Wie sieht Ihr Tagesablauf denn eigentlich aus?
Koller: „Erstens absolviert man das komplette Programm mit der Mannschaft. Die auftretenden Wehwehchen der Spielerinnen werden dann sofort behandelt, wobei der Physio natürlich hauptsächlich für Massagen zuständig ist, der Arzt für fast alle anderen Dinge, angefangen von Verbänden. Gott sei Dank ist das aus medizinischer Sicht meist nur Kleinkram. Bei ernsthafteren Verletzungen muss man mit verletzten Spielern auch mal ins örtliche Krankenhaus, und dann gilt es, eine Diagnose stellen und mit den Trainern abzustimmen, oder der Spieler weitermachen kann oder für ihn das Turnier zwangsweise beendet ist. Nebenbei bleibt für mich immer noch die organisatorische Unterstützung der Teammanagerin. Hier in Mendoza gehe ich beispielsweise mit Dorle Gassert Mannschaftsverpflegung einkaufen. Das ist in Ländern wie Argentinien sehr vorteilhaft, da ich neben bayerisch und deutsch auch fließend spanisch und portugiesisch sprechen kann.“
Wäre denn das nicht zu toppende Gold-Erlebnis von Athen 2004 nicht Anlass genug gewesen, die Arbeit mit der Nationalmannschaft zu beenden?
Koller: „So war es eigentlich geplant. Schon vor den Olympischen Spielen 2004 hatte ich gesagt, dass ich nach Athen aufhören wollte. Aber Markus Weise war damals maßgeblich derjenige, der mich zum Weitermachen bewegte. Wir haben mit dem Berliner Dr. Marcus Reinke inzwischen einen zweiten Teamarzt dazugeholt, der auch schon einige Maßnahmen übernommen hat. Zeitlich ist das in den letzten paar Jahren für einen einzelnen alles ein bisschen schwieriger geworden, seitdem die Champions Trophy auch bei den Damen jährlich und die EM alle zwei (statt alle vier) Jahre durchgeführt wird und die Länderspielmaßnahmen insgesamt deutlich zugenommen haben.“
Dann gibt es den Teamarzt Dr. Koller bald wirklich nicht mehr lange für den DHB?
Koller: „Ja, nach Peking wird es eine Veränderung geben. Mit Marcus Reinke und Bundestrainer Michi Behrmann ist es so abgesprochen, dass der Berliner Kollege in Zukunft die großen Turniere übernimmt. Es ist nicht so, dass ich dann mit Hockey nichts mehr zu tun haben möchte, doch die Prioritäten werden sich verändern. Bisher habe ich meine Aktivitäten als Schiffsarzt, mit dem ich meinen wesentlichen Lebensunterhalt verdiene, nach dem Hockey-Terminplan ausgerichtet. In Zukunft wird es anders herum sein. Aber wenn Zeit und Bedarf ist, gehe ich auch gerne mal wieder mit einer Hockey-Nationalmannschaft auf Tour.“
Ist für den früheren Leichtathleten Koller Hockey also zu einer Herzensangelegenheit geworden?
Koller: „Wenn man so lange dabei ist, dann ist das natürlich der Fall.“
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