19.08.2009 - Am Wochenende beginnt im niederländischen Amsterdam die Hockey-Europameisterschaft der Damen und Herren (22. bis 30. August). Die jeweils acht besten Damen- und Herrenteams des Kontinents spielen nicht nur um den EM-Titel, sondern auch um jeweils vier direkte Qualifikationsplätze für die Weltmeisterschaften 2010 (Herren vom 28. Februar bis 13. März in Neu Delhi / Indien, Damen vom 30. August bis 12. September in Rosario / Argentinien). Im Interview mit hockey.de haben die beiden Bundestrainer Michael Behrmann und Markus Weise auf die Turniertage von Amsterdam vorausgeblickt und über ihre Erwartungen und Ziele gesprochen.
Herr Behrmann, Herr Weise, wenn man auf die Gruppenkonstellationen für die EM schaut, dann könnte man aus den Ergebnissen der Vergangenheit ableiten, dass es für die Damen relativ einfach wird ins Halbfinale einzuziehen, aber für die Herren aus den Erfahrungen von 2007 die Befürchtung haben, dass es ganz eng werden könnte…
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Michael Behrmann: „Also, wenn wir auf unsere bisherige Saison 2009 schauen, dann muss man einfach erkennen, dass wir wirklich keinen EM-Gegner mit halber Kraft werden schlagen können. Wir haben in diesem Jahr sowohl gegen Schottland, Irland, Spanien als auch gegen England jeweils mindestens einmal auch verloren oder zumindest nicht gewinnen können. Das bedeutet, dass wir uns das nötige Selbstbewusstsein noch nicht erarbeitet haben. Bei der Champions Trophy in Sydney war die Entwicklung im Turnierverlauf wirklich gut, aber dann sind wir im Platzierungsspiel gegen Holland doch wieder ganz schön auf die Nase gefallen. Ich sehe unsere Gruppe definitiv nicht als Selbstgänger!“
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Markus Weise: „Wir sind uns der Situation natürlich bewusst, dass es um die Qualifikation für die Top Vier geht und allein bei uns in der Gruppe drei Teams reelle Chancen auf den so wichtigen Halbfinaleinzug haben. Und man kann bei der EM keinen Ausrutscher wieder gut machen, weil dieses Turnier so kurz ist wie kein anderes großes Championat. Wir werden uns daher jedes einzelne Spiel ganz hart erarbeiten müssen. Die Ausgangslage und der Qualifikationsmodus sind dabei Faktoren, die wir völlig ausblenden müssen. Das darf keine Rolle spielen, denn das hilft uns nicht weiter. Wir müssen uns nur mit den Faktoren beschäftigen, die für uns wichtig sind.“
Was sind denn die Dinge, die sie mit Ihren Teams noch verbessern müssen, um in Amsterdam erfolgreich zu sein?
Markus Weise: „Das sind generell die, die wir selbst beeinflussen können. Die Art wie wir spielen können, das eigene individuelle Abwehrverhalten – darum geht es! Wenn wir da einen guten Job machen, dann erreichen wir auch die WM-Qualifikation. Wenn wir einen sehr guten Job machen, dann ist durchaus auch mehr drin!"
Michael Behrmann: „Es geht in der Verteidigung los, wo wir noch zu viele Chancen gegen uns und zu viele Ecken zulassen. Wir haben aber auch vorn relativ wenig sehr gute Torchancen kreieren können, beziehungsweise sie nicht zielstrebig genug verwertet. Eigentlich haben wir in allen Bereichen Steigerungs-Notwendigkeit. Das werden wir jetzt aber nicht durch zusätzliches Training schaffen, sondern müssen es uns auf dem Platz als Team erarbeiten. Da muss notfalls auf den Knien rumgerutscht werden, um die ersten Spiele zu gewinnen, denn wir werden von Irland, Schottland und Spanien nichts geschenkt bekommen, werden uns alles hart erarbeiten müssen.“
Wie genau lauten denn die gesteckten Ziele Ihrer Teams?
Michael Behrmann: „Also die Mannschaft selbst hat sich als Ziel gesetzt, ins Endspiel zu kommen und dies dann auch zu gewinnen. Damit das ein reelles Ziel werden kann, müssen sich alle 18 im Kader mit 100 Prozent reinhängen. Denn nur wenn wir das nötige Selbstvertrauen noch erarbeiten, kann man auch das höchste Ziel anstreben. Es muss einfach viel zusammenpassen, damit die Titelverteidigung machbar wird.“
Markus Weise: „Bei uns ist das Ziel noch nicht so richtig festgelegt. Natürlich gilt die WM-Qualifikation als wichtigstes Ziel, aber dann bist du auch automatisch im Halbfinale – und dann sagt ja keiner, das war’s jetzt! Dann will man auch ins Finale und möglichst auch da gewinnen. Was soll man auch sonst in der Situation machen? Die EM ist auf jeden Fall das wichtigste Turnier des Jahres und keine Durchgangsstation – und so will ich, dass die Mannschaft da auch rein geht. Dieses neu formierte Team hat sich ja noch nie bei einem Turnier beweisen müssen, ob sie einer starken Drucksituation standhält. Es wird spannend sein zu sehen, wie die Jungs damit umgehen.“
Und wie schätzen Sie als Trainer die Favoritensituation bei diesem Turnier ein?
Michael Behrmann: „Ich sehe Spanien neben uns als Favorit in der Gruppe, denn die Spanierinnen haben zuletzt ihre Tests auch gegen Irland und Schottland alle klar gewonnen. Die scheinen wieder in guter Form zu sein. Holland ist sicher der Top-Turnierfavorit. Aber auch England wird vorn mitspielen. Neugierig bin ich, wie sich Aserbaidschan in der Gruppe präsentieren wird. Vielleicht können die für eine kleine Überraschung sorgen.“
Markus Weise: „Ich sehe die Top Fünf – Holland, Spanien, England, Belgien und uns – mit guten Halbfinalchancen. Der Rest hat, meiner Meinung nach, nur überschaubare Außenseiterchancen. Die Aufsteiger Polen und Österreich, aber auch die Franzosen haben alle gute Teams, aber sie müssten sich im Turnier schon dramatisch steigern, um Richtung halbfinale eine Rolle spielen zu können.“
Gibt es irgendwelche Verletzte, deren Einsatz noch fraglich oder in Gefahr ist?
Markus Weise: „Christopher Zeller ist bereits wieder gelaufen. Seine eigene Einschätzung ist, dass der Knöchel hält und er spielen kann. Entwarnung gab es auch bei Jan Marco Montag und Philip Zeller, dessen Knieverletzung sich zwar als schmerzhaft aber nicht so schwerwiegend, wie zuerst gedacht, herausgestellt hat. Matthias Witthaus, Oliver Korn und auch Max Müller haben kleine Blessuren, aber zum Glück nichts Dramatisches.“
Michael Behrmann: „Es haben sich erst einmal alle 18 EM-Kandidatinnen gesund gemeldet. Wir haben am heutigen Mittwoch gegen Aserbaidschan aber noch ein Trainingsspiel abgemacht – erst danach werden wir sehen, ob auch die zuletzt angeschlagenen Spielerinnen, Janne Müller-Wieland, Maike Stöckel und Fanny Rinne wirklich voll wieder hergestellt sind.“
Es wird erwartet, dass das Stadion in Amsterdam mehrfach ausverkauft sein wird. Die Stimmung in Holland ist generell sensationell bei solchen Turnieren. Wird das eine Rolle spielen?
Michael Behrmann: „Alle bei uns – und natürlich vor allem die, die selbst in der holländischen Liga spielen – freuen sich auf dieses Turnier in Amsterdam. Es ist einfach toll, vor 6.000 oder 7.000 Zuschauern zu spielen. Dabei ist es erstmal egal, ob die für oder gegen uns rufen. Die Wertschätzung so vieler Zuschauer für unseren Sport ist das, was da zählt und was ein gutes Gefühl macht. Aber die Holländerinnen haben dieses Jahr bei der U18-EM und der U21-WM ganz oben gestanden – da müssen wir jetzt mal schauen, dass die 2009 nicht alles gewinnen.“
Markus Weise: „Das wird schon ein anderer Rahmen als vor zwei Jahren in Manchester – noch attraktiver, schöner und mit mehr Atmosphäre. Dieses Turnier wird eine riesige Erfahrung für die Jungs!“
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